Wunderbare Neugier

Mitte Juli hatte ich die Gelegenheit die Universal Studios in Los Angeles zu besuchen. Da der Jetlag mich fest im Griff hatte, gehörte ich an jenem Sonntagmorgen zu den ersten Besuchern, die in den Park eingelassen wurden. Ich schlug zuerst den Weg zu Harry Potters Schule Hogwarts ein. Vorbei am gleichnamigen Express, die Winkelgasse mit den verschneiten Häuserdächern hinauf, betrat ich eine Welt, die zwar offensichtlich künstlich ist, aber dennoch eine ganz eigene Magie versprüht. Ich fühlte mich wie verzaubert, dreißig Jahre zurückversetzt. Dies kindliche Staunen begleitete mich den ganzen Tag – und es erfüllt mich wieder, wenn ich mich an jenen Ausflug erinnere.

 

Als ich einen Kaffee auf der Terrasse eines Bistros trank, überlegte ich, weshalb mir diese Gefühle so eigentümlich fremd erschienen; wie wenig Neugier und Aufregung in unserem Erwachsenenleben Platz haben. Wie oft besehen und sezieren wir neue Menschen und Dinge mit unserer wertenden Brille, bevor wir sie überhaupt an uns heranlassen. Wir be- oder verurteilen sie vorab. Wir sind konditioniert, festgefahren, geprägt. Sonderlich viel können wir nicht einmal dafür. Unsere Erfahrungen, die wir zeitlebens machen, ermutigen uns kritisch zu sein – zumeist aus Selbstschutz. Erwartungen, Hoffnungen, Wünsche wurden schon (zu) manches Mal zerstört. In den allermeisten Situationen ist diese Schutzbrille wichtig. Sie warnt uns Abstand zu halten, nivelliert die Bedrohung aus. Doch leider vergessen wir, dieses Accessoire ab und an wieder abzulegen. Es ist so natürlich Teil unserer Selbst geworden, dass wir dessen Gewicht kaum mehr spüren. Weshalb nicht an einem Tag die Sonnenbrille, den Filter, den sie unserer Welt verpasst, vom Gesicht streifen, die Augen schließen und einfach dem lauschen, was geschieht? Einfach los- und sich einlassen und ungefiltert wahrnehmen? Warum nicht einen Tag Kind sein und fühlen wie damals, als man auf das Pferdchen mit dem bunt aufgemalten Sattel klettern durfte, seine Kinderhände fest um die abgegriffenen Lederzügel krallte, die Füßchen in die Steigbügel fädelte und angespannt darauf wartete, bis das Karussell sich in Bewegung setzte? Von Aufregung erfüllt war, als die Musik einspielte, die Lichter auffunkelten und die Silhouette der Eltern, die am Rand standen und winkten, im Vorbeifliegen verwischten und die Umgebung derart verschwamm, dass man der Einbildung unterlag, man reite tatsächlich davon?

 

Mir ist es gelungen, diese Mischung aus Freiheit, Unbekümmertheit und Schwerelosigkeit mit offenem Herzen zu erleben – in den Universal Studios von Los Angeles. Ich war voller Aufregung auf die Achterbahnfahrten (und danach ein wenig schwindlig), habe die Auslage der Zauberstäbe bei Olivanders bewundert und voller Furcht die Augen geschlossen, als King-Kong nach mir greifen wollte. Dieser Tag wird mir mit Sicherheit lange in Erinnerung bleiben – und möchte Dir dies weitergeben: Entferne den Filter vor Deinen Augen – ohne Rücksicht auf Verlust von Kontrolle, Wertung und Einschränkung. Öffne Dein Herz neuen Erfahrungen und Begegnungen. Ich wünsche Dir, dass Dich dabei stets ein wenig Hollywoodmagie begleiten möge.

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